Gericht rügt Stromstudie von AT Kearney

Bei Billigstrom-Untersuchung fehlt laut Gericht die Beschäftigung mit einer „Vielzahl von wichtigen, ergebniswirksamen, sich aufdrängenden Fragen“

(ddp direct) Bonn. Das Landgericht Bonn sieht in einer Stromstudie der Unternehmensberatung A.T. Kearney gravierende Mängel. Unter anderem hatten sich Verbraucherschützer und Journalisten auf diese Untersuchung berufen. Die Studie der Unternehmensberatung, die nach eigenen Angaben für internationale Energiekonzerne tätig ist, hatte insbesondere die Erfolgschancen von unabhängigen Energieanbietern in Frage gestellt.

Nach Auffassung des Gerichts enthalte die Studie in nur begrenztem Maß Inhalte, aus denen sich valide Äußerungen über konkrete Anbieter herleiten ließen. Die A.T. Kearney-Studie war erstmals im September 2009 veröffentlicht worden, nur kurze Zeit nachdem die Liberalisierung des Strommarktes endlich in Gang gekommen war und immer mehr Kunden zu günstigen Anbietern wechselten. Teilweise war die Studie genutzt worden, um vor neuen Stromanbietern, die den Kunden meist günstigere Stromangebote unterbreiten, zu warnen.

Unter anderem der seit 2003 aktive Stromversorger FlexStrom wehrte sich nun gegen Negativdarstellungen von Verbraucherschützern, die sich auf die fragwürdige Studie beriefen. Und bekam Recht. Das Landgericht kommentierte die A.T. Kearney-Studie wie folgend:

Auch beschäftigt sich die Studie mit der angeblichen Unprofitabilität von Diskountanbietern bestenfalls kursorisch. Das Thema wird konkret nur auf vier Seiten behandelt, die in der Gestaltung Powerpoint-Folien entsprechen und somit nur in begrenztem Maß Inhalte enthalten. Verlässliche Angaben zu dem Geschäftsmodell der Verfügungskläger [FlexStrom sowie ein weiterer Energieversorger] sind dem nicht entnehmbar.

Weiter heißt es: Eine Vielzahl von wichtigen, ergebniswirksamen, sich aufdrängenden Fragen behandelt die Studie gar nicht.

Selbst die Beschaffungspreise der Stromdiscounter seien nicht korrekt angegeben: Soweit die Studie davon ausgeht, dass Strombezugskosten aufgrund von Mittelwerten an der Strombörse EEX zu beurteilen sind, fehlt jegliche Angabe dazu, warum dieser Mittelwert für die Verfügungskläger [FlexStrom sowie ein weiterer Energieversorger] einschlägig sein soll. Ausführungen zu den Beschaffungsstrategien der Verfügungskläger [FlexStrom sowie ein weiterer Energieversorger] enthält die Studie ausdrücklich nicht. Es ist gerichtsbekannt, dass ein Großteil des Stroms in Deutschland nicht über die EEX gehandelt wird.

Insbesondere die großen Energiekonzerne haben ein Interesse an hohen Börsenpreisen und treten an der Börse gleichzeitig als Käufer und Verkäufer auf. Unabhängige Anbieter wie FlexStrom haben hingegen ein Interesse an niedrigen Preisen, um für ihre Kunden möglichst günstig einzukaufen. Auch zu weiteren naheliegenden Überlegungen erhält die Studie jedoch keinerlei Ausführungen, heißt es in dem am 29. Juni 2012 verkündeten Urteil des Landgerichts Bonn.

Landgericht Bonn, Aktenzeichen 1 O 27/12
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