Luxusdebatte über den Fachkräftemangel?

Personalexperte rät zu mehr Realismus

Von Ansgar Lange +++ Beim Thema Fachkräftemangel schrillen die Alarmglocken bei Wirtschaftsvertretern und so genannten Experten. Glaubt man ihren Analysen, dann wird unsere gesamte Berufswelt in naher Zukunft auf den Kopf gestellt. In ein paar Jahren, so der Tenor der Mahner und Warner, würden sich Unternehmen bei geeigneten Fachkräften bewerben – nicht umgekehrt.

Sicher ist dies noch Zukunftsmusik. Bewerber, die sich verzweifelt um eine Stelle bemühen, aber nur Absagen erhalten, werden eine solche Aussage vielleicht auch als Zynismus empfinden. Doch auch heute schon macht sich der Fachkräftemangel teilweise bemerkbar. Insbesondere mittelständische Unternehmen, die außerhalb ihrer Nische nicht sehr bekannt sind und ihren Sitz nicht in einer attraktiven Großstadt haben, können bestätigen, dass die Resonanz auf Stellenanzeigen für qualifizierte Bewerber geringer wird. Dies ist allerdings eher ein strukturelles Problem bestimmter Branchen und Regionen.

Was aber tun, wenn IT- und SAP-Experten oder Ingenieure verzweifelt gesucht werden? Der Personalberater Michael Zondler vom Beratungsunternehmen centomo http://www.centomo.de rät dazu, nicht in Panik zu verfallen. „Die Suche in Deutschland oder in der unmittelbaren Umgebung eines Unternehmens sollte Vorrang haben. Nach unserer Erfahrung kommen Unternehmen und Bewerber in der Regel auch zusammen. Wenn ein Unternehmen hingegen die Eier legende Wollmilchsau sucht, wird es eng. Überspitzt gesagt: Einen 23-jährigen IT-Experten mit Auslands- und mehrjähriger Berufserfahrung und hervorragenden Fremdsprachenkenntnissen findet man sicher nicht so leicht auf dem Markt. Klappern gehört bekanntlich zum Handwerk. Und so habe ich manchmal den Eindruck, dass Wirtschaftsvertreter das Thema Fachkräftemangel etwas überstrapazieren, um Druck auszuüben. Und die Wirtschaftsseiten der Zeitungen lesen sich auch interessanter, wenn hier etwas dicker aufgetragen wird. Zurzeit ist das Problem aber noch nicht so akut, wie es vielleicht in 20 Jahren sein wird. Und bei Prognosen für die Zukunft sollte man auch immer vorsichtig sein.“

Beim Fachkräftemangel sollten keine Drohkulissen aufgebaut werden

Zondler bestätigt allerdings, dass die Personalsuche im Ausland in den nächsten Jahren wichtiger werden wird. Doch noch steckt das internationale Recruiting in den Kinderschuhen, wie Chris Pyak, Geschäftsführer der Immigrant Spirit GmbH http://www.immigrant-spirit.de , betont. Ohne Einwanderer sehe es für den Wirtschaftsstandort Deutschland düster aus. Das Arbeitskräftepotenzial werde bis 2025 um rund 6,5 Millionen Personen schrumpfen, hat die Bundesagentur für Arbeit errechnet. Allerdings dürfte Pyak dem Thema auch nicht völlig unvoreingenommen gegenüberstehen. Schließlich coacht er jährlich nach eigenen Angaben über 100 internationale Fachkräfte in Einzelsitzungen.

„Klar trifft es zu, dass Top-Kräfte sich ihren Arbeitgeber quasi aussuchen können. Diese müssen um sie buhlen, nicht umgekehrt. Aber dies ist eher ein Phänomen, welches einen geringen Prozentsatz der Fachkräfte betrifft“, so Zondler. Andere Experten sprechen sich dafür aus, bei der Personalsuche auch einen Personenkreis in den Blick zu nehmen, dem man bisher links liegen gelassen habe. So hat die Bundesagentur für Arbeit nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) http://www.sueddeutsche.de in größeren Städten wie Augsburg, Bremen, Dresden, Freiburg, Hamburg und Köln nun Modellprojekte gestartet, um qualifizierten Flüchtlingen und Asylbewerbern einen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu verschaffen. Denn bisher dürfen sie in Deutschland nicht arbeiten.

Wie die SZ berichtet, registrieren die Experten des Bundesamtes für Migration im Rahmen des Modellprojektes nicht mehr nur die persönlichen Daten von Asylbewerbern, sondern fragen auch gezielt nach deren beruflicher Qualifikation und ihrem Interesse an der Teilnahme an einem solchen Projekt. Anschließend werden potentielle Kandidaten dann an die Arbeitsagenturen gemeldet – bisher allerdings nur in den sechs Modellstädten.

Derzeit beschränke sich die Auswahl noch auf Asylbewerber und Geduldete aus Herkunftsländern, wo die Wahrscheinlichkeit groß sei, dass sie so schnell nicht wieder dorthin abgeschoben werden. Laut dem Bundesamt für Migration sind dies Syrien, Ägypten, Iran, Irak, Somalia, Eritrea, Pakistan, Sri Lanka und Afghanistan.

„Grundsätzlich sind alle Maßnahmen zu begrüßen, die Menschen in Arbeit bringen und den Betroffenen helfen. Aber man sollte mit viel Fingerspitzengefühl an das Thema herangehen. Es wäre unlauter, wenn man sich von einer solchen Maßnahme Wunderdinge erhoffte. Dies würde den Betroffenen nicht gerecht und auch nicht den Unternehmen, die vielleicht dringend nach bestimmten Fachkräften suchen. Flüchtlinge haben ja oft traumatische Erfahrungen gemacht. Es erfordert viel Umsicht und auch Zeit, sie erst einmal in unsere Gesellschaft zu integrieren. Die Integration in den hiesigen Arbeitsmarkt kann erst der zweite Schritt sein“, meint der centomo-Chef.

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