Ein Interview von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck mit Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.
Fachanwalt Bredereck: Diese Woche hat uns eine merkwürdige Entscheidung erreicht. Wir haben mehrfach über die GDL und das Streikrecht gesprochen. Jetzt soll aber eine Frage nach der Zugehörigkeit unzulässig sein. Darf eine Gewerkschaft also streiken, aber keiner darf erfahren, für wen sie das tut?
Fachanwalt Dineiger: Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hierzu fällt nur zufällig im zeitlichen Zusammenhang mit den jetzigen GDL-Streiks. Diese Entscheidung betrifft noch den Streik des Jahres 2010. Hintergrund war damals, dass die Bahn wissen wollte, welche ihrer Mitarbeiter konkret unter Nennung des Namens Mitglied der GDL sind.
Fachanwalt Bredereck: Das wollte die Gewerkschaft GDL untersagen lassen. Darf sie das nun?
Fachanwalt Dineiger: Das Bundesarbeitsgericht hat eine sehr interessante Entscheidung getroffen. Die Anträge der GDL sind zwar abgewiesen worden, allerdings aus prozessualen Gründen. Die eigentliche Aussage des Bundesarbeitsgerichts ist interessanter: tatsächlich war die damalige Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit unzulässig.
Fachanwalt Bredereck: Warum macht die GDL das geltend?
Fachanwalt Dineiger: Wir haben hier schon mehrfach über den Umfang der Rechte der Gewerkschaften, die sich aus der Verfassung ableiten, gesprochen. Gewerkschaften berufen sich sowohl in der Existenz wie auch in der Betätigung auf Art. 9 Abs. 3 GG, die Koalitionsfreiheit. Die Rechtsgewährung hieraus versteht das Bundesarbeitsgericht wie auch das Bundesverfassungsgericht als sehr umfassend. Der Ansatzpunkt des Bundesarbeitsgerichts ist folgender: Art. 9 Abs. 3 GG schützt die Betätigung der Gewerkschaften, also den Abschluss von Tarifverträgen und im Vorfeld hierauf gerichtete Arbeitskampfmaßnahmen. Dieser Schutz von Arbeitskampfmaßnahmen beinhaltet dann auch ein Frageverbot für den Arbeitgeber.
Fachanwalt Bredereck: Warum soll das dem Arbeitgeber verboten werden können?
Fachanwalt Dineiger: Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist der Zweck der Frage der entscheidende Punkt. Das Bundesarbeitsgericht hat in dem Zusammenhang festgestellt, dass die Auskunft, die die Bahn in diesem konkreten Fall haben wollte, ihr ja schließlich genaue Kenntnis von Umfang und Verteilung des Mitgliederbestandes der GDL gegeben hätte. Daher ziele eine solche Befragung von der Art und Weise her ersichtlich darauf ab, die Verhandlungsposition der Gewerkschaft zu schwächen. Mit einer solchen Information kann der Arbeitgeber den Verhandlungsdruck der Gewerkschaft ja eindeutig unterlaufen, indem er zum Beispiel innerbetriebliche befristete Umsetzung oder Ähnliches vornimmt.
Fachanwalt Bredereck: Ist also eine Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit generell verboten?
Fachanwalt Dineiger: Das hat das Bundesarbeitsgericht so eindeutig nicht gesagt. In der Entscheidung war es ganz offensichtlich so, dass der zeitliche Zusammenhang mit dem Streik des Jahres 2010 für das Bundesarbeitsgericht eindeutig war. Die Bahn hatte zwar argumentiert, dass ja vorher bereits eine Einigung mit einer anderen Gewerkschaft erzielt worden sei, die umgesetzt werden müsse. Das hat das Bundesarbeitsgericht aber nicht als überzeugend betrachtet. Ein eindeutiges Verbot einer Frage nach einer Gewerkschaftszugehörigkeit enthält die Entscheidung aber nicht.
Fachanwalt Bredereck: Kann denn das überhaupt als Verbot gefasst werden?
Fachanwalt Dineiger: Wir kennen ja solche Entscheidungen aus dem Recht der Schwangeren und dem Recht der Schwerbehinderten. Dort gibt es Entscheidungen, dass eine solche Frage beim Einstellungsgespräch unzulässig sein soll. Die Rechtsprechung hat sich also durchaus schon mehrfach mit zulässigen und unzulässigen Fragen beschäftigt. Allerdings ist das im vorliegenden Fall gar nicht so furchtbar einfach. Das Bundesarbeitsgericht hat dann eigentlich auch die entscheidende Frage des Verfahrens offen gelassen.
Fachanwalt Bredereck: Und welche war das?
Fachanwalt Dineiger: Ein erklärtes Ziel der GDL ist ja gerade, Tarifpluralität herzustellen. Das bedeutet, das hatten wir ja schon mehrfach, dass in einem Betrieb bei gleichartigen Arbeitsverhältnissen unterschiedliche Tarifverträge Anwendung finden können. Wenn das aber so ist, dann muss der Arbeitgeber das auch umsetzen, sonst verhält er sich nicht tariftreu. Um das umsetzen zu können, muss er aber die jeweiligen Mitarbeiter fragen dürfen, ob und welche Gesellschaft sie angehören. Ansonsten klappt das mit der Umsetzung nicht.
Fachanwalt Bredereck: Wie kam das Bundesarbeitsgericht aus dieser Frage heraus?
Fachanwalt Dineiger: Ganz einfach. Es hat die Frage offen gelassen. Allerdings muss die Frage diskutiert werden. Denkbar wäre, eine zeitliche Schwelle einzuführen. Man kann also etwa Fragen im zeitlichen Zusammenhang mit einem Streik verbieten. Umgekehrt wird es aber wohl auch so sein, dass, wenn die Frage einmal beantwortet wird, dies in der Personalakte vermerkt sein wird. Das Wissen wird also im Zweifel auch dann zu Streikzeiten verfügbar sein. Es wird durchaus interessant sein zu beobachten, wie das Bundesarbeitsgericht das auflöst.
03.12.2014
Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck und Fachanwalt für Arbeitsrecht Volker Dineiger, Berlin und Essen.
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