Entgeltfortzahlung wie im Krankheitsfall nicht während einer Erholungskur

Ein Beitrag von Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck, Berlin und Essen, zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 27.03.2015, Aktenzeichen 10 Sa 1005/14.

Ausgangslage:

Werden Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank, haben sie in den ersten sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Danach gibt es (weniger) Krankengeld. Was ist aber wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitsunfähig ist, sondern an einer Maßnahme der medizinischen Vor- oder Nachsorge teilnimmt?

Fall:

Die Arbeitnehmerin arbeitete seit 2002 als Köchin bei der Zentralen Polizeidirektion des Landes Niedersachsen. Im Jahre 2013 unterzog sie sich einer dreiwöchigen ambulanten Vorsorgekur auf der Insel Langeoog. Sie war während dieser Zeit natürlich nicht arbeitsunfähig erkrankt, da es sich ja gerade um eine Vorsorgemaßnahme zur Verhinderung einer Arbeitsunfähigkeit handelte. Die Krankenkasse der Arbeitnehmerin beteiligte sich an den Kosten der Kuranwendungen und an weiteren Kosten wie Unterkunft, Verpflegung und Kurtaxe. Vom Arbeitgeber verlangte die Arbeitnehmerin während der Zeit Entgeltfortzahlung. Das Land Niedersachsen als Arbeitgeber verweigerte diese Betrachtung und wertete die Abwesenheit als Erholungsurlaub. Entsprechend sah der Arbeitgeber dann den Urlaub als verbraucht an. Die Arbeitnehmerin hingegen vertrat die Auffassung, dass ihr sowohl nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz als auch nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) für den Kuraufenthalt Entgeltfortzahlung zustehe, entsprechend sei der Urlaub durch die Zeit nicht verbraucht worden. Die Arbeitnehmerin begehrt daher vor Gericht die Feststellung, dass ihr für das Jahr 2013 noch 15 Tage Erholungsurlaub zustehen.

Entscheidung:

Die Klägerin verlor den Prozess sowohl vor dem Arbeitsgericht Oldenburg, als auch das Berufungsverfahren beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen.
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen sah die Anspruchsvoraussetzungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes und des TV-L nicht als gegeben an. Weder aus dem Schreiben der Krankenkasse noch aus den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen gehe hervor, dass die Kurmaßnahme dazu diente, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen oder eine sonst drohende Krankheit zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden. Bloße Erholungskuren, die lediglich der Vorbeugung gegen allgemeine Verschleißerscheinungen oder der Verbesserung des Allgemeinbefindens dienten, lösten einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung ebenso wenig nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz aus wie nach dem TV-L.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht hat das Landesarbeitsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer und Arbeitgeber:

Auch wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, dürfte die Abgrenzung des Landesarbeitsgerichts zutreffend sein. Nur wenn die Maßnahme der Abwehr einer konkret drohenden Erkrankung droht, kann sie den Anspruch auf Entgeltfortzahlung auslösen. Erforderlich ist, dass dies von der Krankenkasse so bestätigt wird und dass die Krankenkasse in diesem Fall dann auch die Kosten trägt. Möglich ist auch eine Maßnahme zur Nachsorge nach einer Krankheit, wobei auch hier die genannten Voraussetzungen vorliegen müssen. Alles, was lediglich eine Art medizinisch begleiteter Urlaub ist, ist letztlich nur eine andere Form der Erholung. Letztlich dient jeder Erholungsurlaub auch der Verhinderung von Erkrankungen wegen Überarbeitung. Die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse ist ein wichtiges Indiz für die Behandlung wie eine Erkrankung. Die Krankenkasse wird regelmäßig nur solche Kosten auch voll übernehmen. Eine reine Kostenbeteiligung der Krankenkasse reicht hingegen nicht, da sich Krankenkassen heute zunehmend auch ganz allgemein an prophylaktische Maßnahmen kostenmäßig beteiligen.

Berlin, den 13.4.2015

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