6 Köpfe diskutierten beim Round Table von PSV
Beim digitalen Wandel in der scheinbaren Beschaulichkeit Südwestfalens scheiden sich die Geister. Doch nur auf den ersten Blick. Denn hier drängen nicht Aufgaben wie das Implementieren neuer Technologien, sondern solche in puncto provinzieller Infrastruktur und (nicht) vorhandener digitaler Mitarbeiterkompetenz in Unternehmen und Betrieben. Vor allem Letzteres hatte unlängst die Studie ‚Trendmonitor Südwestfalen 4.0‘ von PSV Marketing und HEES Bürowelt faktisch ermittelt. Was mit diesen Ergebnissen zum digitalen Status quo Südwestfalens bereits für Überraschung sorgte, stand jetzt auch auf der Ideen-Agenda des Round Tables von PSV und HEES. Zum lösungsfindenden Austausch in analoger Runde waren Vertreter von Unternehmen, Kommunikateure und Impulsgeber mit einer klaren Haltung zum Thema ins Hause der IHK Siegen eingeladen: Sebastian Leipold, Geschäftsführer HEES Bürowelt, Niels Pöppel, Bereichsleiter Vertrieb & Produktion BSW Berleburger Schaumstoffwerk, Stefan Schwenzfeier, Leiter Digitalmarketing PSV Marketing, Gunnar Sohn, Wirtschaftspublizist, Dozent und Blogger (Ichsagmal.com) sowie Marie Ting, Leitung Regionalmarketing und Kommunikation Südwestfalen Agentur, setzten sich an einen Tisch, um dem gemeinsamen Ziel zur Gestaltung praxisorientierter Ideen und Lösungen für die digitalen Herausforderungen der industriell geprägten Region näherzukommen.
Die Unternehmen in unserer Region: altes Eisen oder Zukunftspotenzial?
Dabei sind die digitalen Herausforderungen in Südwestfalen durchaus als exemplarisch zu betrachten, wie Moderator Marco Petracca, Senior Markenberater bei PSV, gleich zu Beginn des Austauschs deutlich machte: „Der Begriff ‚Südwestfalen 4.0‘ lässt sich ohne Weiteres durch ‚Provinz 4.0‘ ersetzen. Viele Dinge treffen ja eigentlich auf ähnliche Regionen in Deutschland zu und nicht nur unbedingt auf diese Region.“
Die mittelständischen Hidden Champions und Co. sitzen also deutschlandweit gemeinsam in einem Boot. Doch in welche Richtung es Fahrt aufnimmt, scheint bei vielen noch nicht ganz klar zu sein. Das stellte auch die erste Frage der Runde in den Fokus: „Die Unternehmen in unserer Region: altes Eisen oder Zukunftspotenzial?“ Dazu stellte Sebastian Leipold klar: „Hinter den Status quo altes Eisen können wir doch einen Haken setzen. Ich denke über das Thema sind wir hinaus. Viele Unternehmen arbeiten sehr zukunftsorientiert und das Thema Digitalisierung ist häufig schon in die operative Planung mit eingeflossen. Ob die Umsetzung dann nur eine digitale Kommunikation oder bereits auch die Produktion betrifft, variiert jedoch.“
Zur Frage erläuterte auch Niels Pöppel seine Erfahrungen aus der Perspektive von BSW, einem Hidden Champion, dessen Laufbahnen selbst Leichtatlethik-Stars wie Usain Bold schätzen: „Es kommt natürlich immer darauf an, mit wem man sich vergleichen möchte. Um es mal überspitzt zu formulieren – in der großen weiten Welt da draußen gibt es natürlich etliche Unternehmen, die deutlich digitaler sind als wir aktuell. Ich sehe aber bei uns ein sehr großes Zukunftspotenzial und den Beginn einer effektiven Digitalisierung. Das bedeutet auch, dass wir uns hier personell verstärkt haben und bisher glücklicherweise noch keine Probleme hatten die entsprechenden Fachkräfte in der Region zu finden. Der Impuls mehr zu tun ist gerade im Bereich der Produktion von unserer Strategie motiviert. Aber es gibt auch Digitalisierungsprojekte, die der Markt bestimmt und fordert, wie Kommunikation, Marketing oder neue Datenformate.“
Wunschdenken und Wirklichkeit driften auseinander
Bei der Frage nach der Relevanz der Digitalisierung in Südwestfalen hatte die Studie von PSV und HEES schon gezeigt, dass 92,5 Prozent der Unternehmen dem Thema eine hohe Bedeutung beimessen. Wirtschafstpublizist Gunnar Sohn gab jedoch zu bedenken: „Wenn ich irgendwelche Leute höre, die von digitalem Darwinismus reden, auf Bühnen rumturnen und sagen wie wichtig es ist, dass man sich von dem was im Silicon Valley läuft abgrenzt oder dass zukünftige Start-ups dieses oder jenes Geschäft pulverisieren, dann kriegen immer alle Angst und sagen ‚Ja, ja, wir kümmern uns auch um Digitalisierung‘. Aber wenn man dann mal unter die Motorhaube schaut, dann sieht die Welt halt schon ein bisschen anders aus. Es wird beispielsweise wenig kollaborativ gearbeitet, simple Themen wie Videokonferenzen oder Führen auf Distanz werden nicht adressiert. Da gibt“s ein Auseinanderdriften dessen was wirklich mit den digitalen Werkzeugen gemacht wird und was man in Umfragen dann nach vorne bringt.“
Gute Datenhaltung als wichtige Basis
Statt Prozessverbesserungen in der Halle, die ohnehin schon angegangen werden, liegt der nachzuholende Bedarf der Unternehmen demnach auch im Bereich von Informationssystemen, Kommunikation und vernetztem Arbeiten, wie auch Stefan Schwenzfeier, Leiter Digitalmarketing bei PSV, deutlich machte: „Viele führen einfach noch Excel-Listen, egal über was – über Einladungen zu Messen oder über alle Produkte, die im Unternehmen existieren. Dann erfolgen Auftrags-Anfragen und es kann z.B. nicht mehr nachvollzogen werden, ob eine Maschine evtl. schon einmal vor drei Jahren gebaut wurde. Hier muss man dringend überlegen. Was ist Digitalisierung. Das fängt doch bei einer guten Datenhaltung an und so etwas vereinfacht nach hinten heraus vieles.“
Auch Sebastian Leipold appellierte in diese Richtung: „Wir sind hier nicht im Silicon Valley mit Google, Intel & Co., sondern bei uns überwiegt die metallverarbeitende Industrie. Trotzdem ist es wichtig eine Basis zu schaffen und zwar so, dass Systeme mit den vorgehaltenen Informationen auch nach einem Ausfall wieder relativ schnell herzustellen sind. Dafür braucht es Struktur.“
Branchenübergreifenden Netzwerkgedanken für gemeinsame Stärken vertiefen
Die Frage nach der Notwendigkeit von Digitalisierung im Mittelstand oder der Sinnhaftigkeit von extern motiviertem Aktionismus sollte sich also nicht mehr stellen, sondern eine klare Zielsetzung gegeben sein. Marie Ting betonte, dass man gemeinsam an einem Strang ziehen müsse, um erfolgreich zu bleiben, für und in der Region Südwestfalen: „In den letzten Monaten ist es gelungen, im Schulterschluss der Region eine ‚Vision 2030″ für Südwestfalen zu entwickeln. Die definierten Ziele lauten unter anderem: Südwestfalen will bundesweit bekannt sein für das kooperative Miteinander bei der Zukunftsgestaltung und als stärkste Region des industriellen Mittelstandes eine Spitzenposition in Deutschland einnehmen. Bei der Erreichung dieser Ziele spielt das Thema Digitalisierung in der Vision eine zentrale Rolle. Südwestfalen braucht Leuchtturmprojekte mit einer ganz speziellen DNA: Digital gedacht, nachhaltig umgesetzt und authentisch, also zur Region passend gewählt. Viele Herausforderungen in der Wirtschaft können branchenübergreifend bearbeitet werden, so wie wir auch das Thema Standort- und Fachkräftemangel regional angehen. Die Regionale 2025 wird ein guter Rahmen sein, um neue Projektideen mit Strahlkraft voranzubringen, die den Unternehmen der Region wirklich nützen.“
Mitarbeiterkompetenz mit neu gedachter Ausbildung
Zusammenarbeit macht in vielen Belangen der Digitalisierung Sinn. Beim Reizthema digitaler Infrastruktur schlägt Gunnar Sohn vor, auch die Kommunen wieder stärker in die Verantwortung zu nehmen und gegebenenfalls mit Genossenschaften auf die Trägheit des privatwirtschaftlichen Netzausbau zu reagieren. Kooperation ist auch gefragt, wo man sich bei der Rekrutierung neuer Fachkräfte attraktiver positionieren möchte. Denn ohne diese wird der digitale Wandel zur unüberwindbaren Hürde. Speziell in der Studie sahen Unternehmen die Kompetenz der Mitarbeiter als besondere zukünftige Herausforderung. Für Stefan Schwenzfeier liegt der Ball hier auch bei den Schulen, Universitäten und Unternehmen: „Man darf sich nicht in den entscheidenden Bereichen voneinander entfernen. Wenn ich als Hightech-Hersteller nur im Fachbereich Maschinenbau universitäre Kollaborationen suche, statt auch im Informatikbereich anzudocken, lasse ich mir Chancen entgehen. Ausbildung und Arbeit müssen viel stärker zusammenwachsen und gleichzeitig Raum bieten, den die nachrückenden digitalen Generationen fordern.“
Das bedeutet auch, dass bei der Sorge um die zukünftig fehlende digitale Kompetenz der Mitarbeiter die Industrie sowie Kommunal-, Landes- und Bundespolitik gleichermaßen gefordert sind, Lösungen zu finden.
Die Teilnehmer des aktuellen Round Tables haben mit ihren Ansätzen die erste gemeinsame Ideensuche zu einer runden Sache gemacht, die auf jeden Fall einer Fortsetzung Bedarf. Vielleicht dann mit einem erweiterten Teilnehmerkreis, der Südwestfalen ebenfalls mit einer neuen Haltung und mehr Offenheit digital voranbringen möchte. Und die fängt ganz klar ebenfalls beim Thema Relevanz an. Hier müssen sich vor allem auch Berater und Agenturen selbst den Spiegel vorhalten, wie es Gunnar Sohn auf den Punkt brachte: „Ein Malermeister zeigt dir halt den Vogel, wenn Du irgendwas über Marketing-Kampagnen oder über Content-Marketing erzählst. Der will wissen wie er seine Gewerke vielleicht besser darstellen kann, wie er den Kundendienst besser in den Griff bekommt, besser auf die Stammdaten zurückgreifen kann, wie er Muster erkennt und wo er vielleicht lokale Märkte besser erschließt. Und da musst Du halt auch das Geschäft kennen sonst werden nur Tabula-Rasa-Content-Marketing-Sprüche an den Kopf geknallt und niemand fühlt sich abgeholt.“ In diesem Sinne: Auf der Suche nach Antworten zum digitalen Wandel sind alle gefordert.
Die vollständige Studie sowie eine Kurzzusammenfassung kann unter www.swf-vier-null.de heruntergeladen werden. Hier werden demnächst auch weitere Inhalte des 90-minütigen Round Tables digital zur Verfügung stehen.
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