Apothekerverband fordert Rettungsschirm für Apotheken

Urteil des Bundesgerichtshofs verschärft die ohnehin schon ungenügende wirtschaftliche Lage der Apotheken im Land dramatisch

Stuttgart – Vor dem Hintergrund eines Urteils des Bundesgerichtshofs (BGH) fordert der Landesapothekerverband Baden-Württemberg (LAV) ein sofortiges Eingreifen der Gesundheitspolitik und das unverzügliche Aufspannen eines Rettungsschirms für die Apotheken im Land. Der BGH hatte am gestrigen Donnerstag entschieden, dass Apotheken beim Einkauf von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln von ihren Großhändlern kein Skonto oberhalb von 3,15 Prozent erhalten dürfen. Für die Apotheken im Land bedeutet das nach Berechnungen der Steuerberatungsgesellschaft Treuhand Hannover ein Ertragsverlust von durchschnittlich 16 Prozent. Gegenüber der Deutschen Apothekerzeitung bezifferte der Generalbevollmächtigte Sebastian Schwintek auf der Basis von Erfahrungswerten: „Eine Apotheke von durchschnittlicher Umsatzgröße könnte gut 22.000 Euro Ergebnis verlieren.“ Aus Sicht des LAV dürfte dieser Betrag eher die untere Verlustgrenze darstellen und in der Regel deutlich höher liegen.

LAV-Präsidentin Tatjana Zambo erklärt: „Der Großteil der Apotheken in Baden-Württemberg und in Deutschland war bereits vor dem Urteil des BGH betriebswirtschaftlich mehr als auf Kante genäht. Der Skonto-Deckel des BGH verschärft für diese Apotheken nun die Situation erneut und dramatisch – hin zu einem unerträglichen und betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbarem Maß. Das gesamte Versorgungssystem der Apotheken wird kippen, wenn der Gesetzgeber jetzt nicht unverzüglich handelt und mit einem Rettungsschirm ausstattet, der vor allem sofort wirkenden finanziellen Maßnahmen enthalten muss.“
Konkret fordert der LAV für seine Mitglieder:

– Sofortige, deutliche Absenkung des Apothekenabschlags; besser: Abschaffung des Apothekenabschlags.
Der Apothekenabschlag ist ein Skonto-Betrag, den jede Apotheke für jedes verschreibungspflichtige Medikament der Gesetzlichen Krankenkasse gewähren muss. Dieser Betrag wurde durch den Gesetzgeber vor einem Jahr um 13 Prozent auf einen Betrag von 2,00 Euro pro Packung angehoben. Zambo: „Es kann nicht sein, dass wir auf der Einkaufsseite beim Skonto gedeckelt werden, auf der Abrechnungsseite aber einen Skonto-Betrag in dieser Höhe verpflichtend gewähren müssen.“

– Anpassung des Apothekenhonorars durch Erhöhung des Fixbetrages.
Die Apothekerschaft hatte bereits in der Vergangenheit – nicht zuletzt durch Protestaktionen und Demonstrationen – eine sofortige Anpassung des Fixanteils des Apothekenhonorars gefordert. Zambo: „Bereits seit über drei Jahren erzielen die Apotheken aus der gesetzlichen Honorierung nur noch negative Stückerträge. Anders gesagt: Wir legen bei der Versorgung Geld drauf. Nach Berechnungen der Treuhand Hannover machen wir einen Verlust von 46 Cent pro Packung, die wir nur durch Einkaufskonditionen überhaupt haben kompensieren können. Durch den BGH-Deckel der Einkaufskonditionen kann jetzt diese Unterfinanzierung gar nicht mehr aufgefangen werden.“

– Deutliche Anhebung von Dienstleistungshonoraren.
Für besondere Dienstleistungen erhalten Apotheken gesonderte Honorare. Diese Honorare reichen jedoch an keiner Stelle aus, auch nur eine Kostendeckung zu erreichen. Zambo: „Das Honorar für die Anfertigung einer Rezeptur ist genauso unterdimensioniert wie z. B. der Botendienst oder die uns zugestandene Sonderhonorierung für das Management von Lieferengpässen. Wir fordern den Gesetzgeber auf, bei diesen Dienstleistungen nicht nur für eine Kostendeckung zu sorgen, sondern jede einzelne Leistung hinsichtlich des Honorars in die Ertragszone zu bringen. Wir Apotheken arbeiten an so vielen Stellen für Gotteslohn, wenn wir nicht sogar das Geld noch mitbringen müssen. Über 550 Schließungen von Apotheken allein im letzten Jahr sind ein klares Zeichen, wie es um die deutschen Apotheken und mit ihnen um den Erhalt der flächendeckenden Versorgung bestellt ist.“

– Wegfall des Kammerzwangs in Doppelmitgliedschaft.
Apotheker:innen müssen nicht nur (kostenpflichtig) der jeweils zuständigen Apothekerkammer beitreten. Sie haben als Selbständige auch die Pflicht, Mitglied der jeweiligen Industrie- und Handelskammer zu sein. Zambo: „Das BGH-Urteil limitiert uns im kaufmännischen Agieren. Für weit über 80 Prozent des Umsatzes einer durchschnittlichen Apotheke werden unsere Einkaufskonditionen gedeckelt und können nicht mehr frei verhandelt werden. Da frage ich mich, warum wir dann noch in einer IHK Mitgliedsbeiträge zahlen sollen.“

Für den LAV steht fest, dass sich die Unterfinanzierung der Apotheken durch das BGH-Urteil noch einmal dramatisch verschärft und ruft die Politik zu unverzüglichem Handeln auf. „Diese Verschärfung der Situation, die jetzt unmittelbar nach dem BGH-Urteil eintritt, kann politisch weder ausgesessen, noch auf die lange Bank geschoben werden. Ab jetzt zählt jeder Tag und jede Woche – es ist maximal Eile geboten, sofort zu reagieren und die desaströse finanzielle Situation der Apotheken, die politisch verursacht wurde, unverzüglich zu verbessern.“

Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg e. V. setzt sich für die unabhängige Beratung von Patienten, Gesundheitsprävention und die sichere Abgabe von Arzneimitteln ein. In Baden-Württemberg gibt es rund 2.200 öffentliche Apotheken. Der Verband vertritt die wirtschaftlichen und politischen Interessen seiner Mitglieder. Um das Wohl der Patienten kümmern sich im Land neben den approbierten Apothekerinnen und Apothekern auch rund 15.000 Fachangestellte, überwiegend Frauen, in Voll- oder Teilzeit. Der Landesapothekerverband Baden-Württemberg e. V. ist zertifiziert nach DIN EN ISO 9001 : 2015.

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